Die Hölle als Klimakiller

Fromme Geschichten

Vatikan lässt Glaubenslehre überprüfen

Im Hinblick auf die weltweiten Aktivitäten zur Abwendung einer Klimakatastrophe hat sich auch der Vatikan einer besonderen Beachtung der Ursachen und Folgen nicht verschließen können. Seine Heiligkeit selbst hatte eine Audienz der engagierten Greta T., nach Königin Christina die zweite populäre Schwedin in Rom, eingeräumt.
Der Kardinalpräfekt der Congregatio pro doctrina fidei, auch als Glaubenskongregation bekannt, Tomasini* entschloss sich daher, eine Kommission einzuberufen, die alle Fragen, Vorbehalte und Einwände, die sich im Zusammenhang mit dem Klimawandel auch auf die Kirche beziehen können, überprüft. Damit sollte auch dem Vorwurf des nachlassenden Reformwillens im Vatikan nachdrücklich entgegengetreten werden.
Außerdem würde man möglichen Aktionen von Klimaaktivisten und -innen zuvorkommen. Kardinalstaatssekretär Ambrogio* lagen bereits vertrauliche Informationen vor, dass geplant sei, während der nächsten öffentlichen Papstaudienz mit dem Segen Urbi et Orbi die Kuppel des Petersdomes von außen zu besteigen und Banner zu entrollen, auf denen eine emissionsfreie Liturgie durch Abschaffung von brennenden Wachskerzen auf Altären und dem Schwenken von Weihrauchfässern gefordert wird. So sollte die Aufmerksamkeit der zu Tausenden auf dem Petersplatz harrenden Gläubigen, und dank der zu erwartenden großen medialen Begleitung sogar der Weltöffentlichkeit, auf die unverantwortlichen Versäumnisse der Amtskirche gelenkt werden.
Binnen kürzester Zeit trat die Kommission aus zwölf – die Analogie zu den Zwölf Aposteln war rein zufällig – Bischöfen, Erzbischöfen und Kardinälen im Palazzo del Sant’Uffizio, dem Sitz der Kongregation, zusammen. Überlegungen, auch eine Frau zu benennen, wurden im Interesse einer einheitlichen Meinungsbildung fallen gelassen. Vermutlich hätte man sogar mit diesem Zugeständnis die Bewegungen, die gegen die männlichen Machtstrukturen des Klerus Sturm laufen, nicht beschwichtigen können. Der Einwurf des deutschen Bischofs Schneider zur Mühlen*, dass, wenn es auch um das Höllenfeuer gehe, mit des Teufels Großmutter das weibliche Element im Thema hinreichend vertreten wäre, fand allgemeine Missbilligung, da er, selbst als antifeministischer Joke, wie Kardinal Cox* beschwichtigend zugestand, absolut deplatziert war.

Die Kommission war sich rasch einig, die vordergründigen Anschuldigungen der Klimaaktivisten und –innen durch die zukünftige Verwendung elektrischer Kerzen und elektrisch erzeugter Rauchschwaden in den Weihrauchgefäßen, wie bereits bei E-Zigaretten seit längerem bewährt, entkräften zu können. Abgesehen von den Erstinvestitionen für die Umstellung auf erneuerbare Energien, würden sich diese Lösungen für die Kirchen als nicht zusätzlich belastbar erweisen, aber Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen.
Heftige, zeitweilig stark emotionalisierte Diskussionen, gab es in der Kommission allerdings zwischen dem traditionalistischen und dem reformistischen Flügel. Es ging um einen essentiellen, wenn nicht gar existentiellen Bestandteil der Glaubenslehre – die Existenz der Hölle und das mit ihr sinnbildlich und faktisch verbundene höllische Feuer.
Unstrittig war, dass dieses Feuer auf Grund der angenommenen Lage der Hölle im Erdinneren aus fossilen Brennstoffen gespeist wird, ob Kohle oder Gas könne dahingestellt bleiben, man es aber deshalb unzweifelhaft mit einer katastrophalen CO2- Bilanz zu tun hat; angesichts des mutmaßlichen Ausmaßes der Hölle, ihr Feuer geradezu als Klimakiller No. 1 weltweit gelten muss.
Nachdem sich die mentale Erschütterung über diese Erkenntnis etwas abgeschwächt hatte, schlug Kardinalpräfekt Tomasini* vor, die systemischen Zusammenhänge schrittweise zu analysieren und daraufhin die Erörterungen von Grund auf rückhaltlos aber ergebnisoffen zu führen. Die über eine Milliarde Christen und -innen auf dem Erdkreis, für die die Existenz der Hölle sicher ist, können erwarten, dass die richtigen und klugen Antworten auf alle Fragen gefunden werden.
Der scheinbar rasch zum Ergebnis führende Ausweg, die Hölle zu leugnen und als Irrtum darzustellen, schließlich habe sich die Kirche nicht nur bei Galilei geirrt und ihren Irrtum später auch eingestanden, wurde als nicht hilfreich von vornherein ausgeschlossen. Unabweisbare Hinweise im Neuen Testament ließen das auch nicht zu. Außerdem würden dadurch zweitausend Jahre abendländischer Kultur und Tradition in Frage gestellt. Zumal eine andere große Weltreligion in ihrem heiligen Buch mehrfach Bezug auf die Hölle als existent nimmt.
Der Antrag aus dem traditionalistischen Kommissionsflügel, als ersten Schritt Literatur mit besonders drastischen Schilderungen der Hölle, allen voran Dantes Divina Commedia, auf den Index der verbotenen Bücher zu setzen, wurde als nicht mehr zeitgemäß abgelehnt. Jedoch könnten einige der Werke in der vatikanischen Bibliothek unter Verschluss gehalten werden. Eine Mehrheit fand sich hingegen für den Vorschlag, im Vatikan-Museum einschlägige Malereien abzuhängen und gegebenenfalls durch Heiligenbildnisse aus dem Depot zu ersetzen.


Als die lebhafte Diskussion etwas abflaute, ermahnte Kardinalpräfekt Tomasini*, zum Generalthema der Kommission zurückzufinden. Es ginge im Prinzip darum, ein neues Bild der Hölle mit höchster ökologischer Treffsicherheit zu entwerfen, ihre Bedeutung und schließlich ihren eschatologischen Stellenwert neu zu interpretieren.
Erzbischof Vujic*, als profunder Bibelexeget anerkannt, wies aufklärend auf die Kontextualität der Bezeichnungen „ewiges Feuer (Mt 5,22-30) und „nie erlöschendes Feuer“ (Mk 9,43-45) hin. Sie stünden im Zusammenhang mit menschlichen Verfehlungen – Sünden – als Gegenpol zum ewigen – himmlischen – Leben. Zwar habe die Einschätzung der Sündhaftigkeit sich gewandelt und der Schrecken der Höllenstrafe werde heute im pastoralen Diskurs neu bewertet, gleichwohl müsse die Hölle als Mahnung und Warnung im Glauben verankert bleiben.
Überlegungen, als erste Maßnahme zur Reduzierung der Höllenfeuer-CO2-Emissionen Strukturen des weltlichen Zertifikathandels zu implantieren, führten letztlich nicht weiter. Da Menschen durch ihre schuldhafte Anwesenheit in der Hölle das Feuer und damit die Emissionen erzeugten, hätten sie die Konsequenzen zu tragen. Die Ausgabe von PHCT-Verschmutzungszertifikaten würde sich ohnehin angesichts der steigenden Zahl von Sündern als zu aufwendig und kostenintensiv gestalten. Stimmen aus dem traditionalistischen Lager, mit einer verstärkten missionarischen Erneuerung mehr Menschen auf den rechten Pfad des Glaubens zu führen und dadurch den Zulauf zur Hölle zu reduzieren, also bei weniger erforderlichem Feuer auch die Emissionen zu senken, wurden vehement zurückgewiesen. Katechetische Grundsätze dürften nicht auf diese Weise instrumentalisiert werden.
An dieser Stelle entschied die Kommission, das vor allem im deutschen Sprachgebrauch vorherrschende Fegefeuer konsequent auf seinen Ursprung als Purgatorium, also der Reinigungsanlage als zeitliche Sündenstrafe, zurückzuführen. Dazu wurde einstimmig beschlossen, die Anwendung chemischer Reinigungsmittel strikt zu untersagen; ausschließlich biologisch an- und abbaubare Stoffe dürfen zum Einsatz kommen.


Mitglieder des reformistischen Flügels verlangten nunmehr die Prüfung ersatzgeeigneter Energieträger unter Berücksichtigung auch nach außen überzeugender Nachhaltigkeitskriterien zum weiteren religiös wie klimapolitisch gleichermaßen akzeptierten Unterhalt des Höllenfeuers. Der sofortige Einwand von Bischof Podolski, eine überstürzte Dekarbonisierung würde bei den Gläubigen der polnischen Steinkohle-Diözesen auf wenig Verständnis stoßen, fand kein Echo in der Kommission. Bedauerlicherweise entfalle der Einsatz von Wind- und Solarenergie wegen der fehlenden Stromtrassen zur Hölle. Vielmehr lenkte man das Augenmerk auf den in der öffentlichen Diskussion stehenden Wasserstoff und die Entwicklung neuer emissionsfreier synthetischer Energiestoffe, sofern sie eine ausreichende strafbewehrte Hitze böten. Einstimmig wurde der Vorschlag angenommen hierzu ein Gutachten in Auftrag zu geben. Bischof Schneider zur Mühlen* wies auf den bei Ingenieurfirmen in Deutschland vorhandenen Sach- und Erfahrungsstand hin und bot an, Verbindung zur deutschen Bischofskonferenz aufzunehmen, mit deren lebhafter Unterstützung und möglichweise Kofinanzierung des nicht unbeträchtlichen Gutachterhonorars gerechnet werden könne.


Da es keine weiteren Wortmeldungen gab, kündigte Kardinalpräfekt Tomasini* an, er werde einen Bericht als erstes Zwischenergebnis über Vatikanradio und den Osservatore verbreiten lassen, um der Weltöffentlichkeit zu zeigen, dass die Kirche auch den Klimawandel ernst nehme und auf dem richtigen Weg sei, indem sie das Höllenfeuer als Klimakiller auf regenerative Energieerzeugung umzustellen bereit ist und somit ihre Hand weiterhin schützend über die Gläubigen hält. * Namen aus Datenschutzgründen geändert (G/se 220420)

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