Bürgerinitiativen gegen C.

Wer? Wann? Wo? - Wieso?

Über einen sensationellen Fund alter Urkunden und Dokumente in der Universität von Salamanca berichtete unlängst Prof. Julio Sánchez-Cabrera auf dem XXIV Int. Historikerkongreß in Lausanne.
Bei der Sichtung älterer Aktenbestände im Universitätsarchiv stieß man auf bisher unbekannte Schriftstücke, die ein völlig neues Bild von den Jahren unmittelbar vor der Entdeckung Amerikas zeichnen. Die bisherige Deutung dieser Zeit und ihrer hektischen Aktivitäten wird damit als primitive Geschichtsklitterung der bürgerlichen Historiographie entlarvt.
Nachdem C. (ital.: Christoforo Colombo; span.: Christóbal Colón) 1484 seine Pläne, westwärts nach Indien zu segeln, König Johann II von Portugal erfolglos vorgelegt hatte, ging er nach Spanien. Von verschiedenen Gönnern unterstützt gelang ihm im Frühsommer 1486 eine erste Vorstellung bei der Königin Isabella von Kastilien. Isabella, eine für damalige Verhältnisse ungewöhnlich emanzipierte Frau, zeigte sich an den Plänen C.s wohlwollend interessiert. Jedoch erst sechs Jahre später, 1492, konnte C. eine volle Zustimmung erhalten und zu seiner ersten Reise aufbrechen.


Über die lange Zeit des Wartens, Bittens, Drängens beichtet Las Casas, der zeitgenössische Biograph des C.: „Er begann einen schrecklichen, fortwährenden, schmerzensreichen und endlosen Kampf zu führen; ein mit scharfer Klinge geführter Kampf hätte nicht so unerbittlich und grausam sein können wie jenes unablässige Ringen mit den vielen Menschen, die er überzeugen sollte, ohne daß sie ihn verstanden, die sich aber anmaßten, alles besser zu wissen . . .“
Diese Textstelle, bisher verkannt, hat jetzt durch die überraschende Entdeckung von Salamanca die richtige aktuelle Interpretation gefunden. Nicht die königlichen Kommissionen zur Begutachtung der vorgelegten Pläne waren der Grund, sondern ein mächtiger, im ganzen Land entflammender solidarischer Widerstand des Volkes, der sich in den organisierten, kämpferischen Aktivitäten zahlreicher Bürgerinitiativen manifestierte. Prof. Sánchez-Cabrera legte dazu auf dem Kongreß zahlreiche überzeugende Dokumente vor.

Im Frühsommer 1486 reicht C. seinen Plan ein, Cipangu (Japan) und Cathay (China) auf dem Seeweg von Spanien aus in westlicher Richtung zu erreichen. Er stützt sich dabei auf Berichte von Marco Polo (1254-1324) und eine Seekarte des italienischen Arztes und Astronomen Paolo Dai Pozzo Toscanelli (1397-1482), der von der Kugelgestallt der Erde überzeugt war. Voraussetzung für den Erfolg ist jedoch die königliche Anerkennung seiner Idee und die finanzielle Förderung der Reise durch zur Verfügung gestellt Schiffe und Gelder für Mannschaften und Proviant.
Königin Isabella findet Gefallen an den begeisterten aber etwas unpräzisen Ausführungen des C. Sie beauftragt daher ihren Beichtvater, Hernándo de Talavera, eine Kommission zur Prüfung des vorgelegten Planes zu bilden. Die Kommission aus Astronomen, Kosmographen, Geistlichen und Seefahrern tritt in Salamanca zusammen.

Durch eine gezielte Indiskretion drangen jedoch bald aus dem Gremium Details über die Pläne des C. an die Öffentlichkeit.
Auch wenn de Talavera sofort ein Dementi folgen ließ, es handle sich um „unverbindliche Denkansätze“ und „unkontrollierte Gesprächsfetzen“ – ein Sturm der Entrüstung und des Protestes erhob sich von Salamanca ausgehend über das ganze Land.
Obwohl das Weltbild gerade in jüngster Zeit einige revolutionierende Änderungen und Erweiterungen erfahren hatte – sie wurden nicht nur in Wissenschaftskreisen und literarischen Zirkeln, sondern auch in der Öffentlichkeit diskutiert – so überstieg der Vorschlag des C. doch alle Vorstellungen. Die Realisierung seiner Idee bedeutete eine Abkehr vom Bisherigen, ein Umdenken und Einstellen auf neue Fakten und Situationen.


Der Widerstand konzentrierte sich auf zwei Punkte: Der neue Seeweg westwärts bringe in erster Linie dem Königshof, dem Adel und dem Großkapital durch den Besitz der Gold- und Gewürzmonopole Vorteile; das Volk ginge dabei leer aus. Vor allem aber schließe die Fahrt durch unbekannte Gewässer nicht aus, daß neues Land, möglicherweise ein ganzer Kontinent, entdeckt werde. Alle sich daraus ergebenden Konsequenzen und Neuerungen würden die Alte Welt jedoch einem verstärkten Leistungsdruck aussetzen, eine Beeinträchtigung der Lebensqualität bliebe unausweichlich.
Die Proteste artikulierten sich zunächst spontan und ohne gemeinsame Aktionsbasis, wobei sich jedoch Schwerpunkte der Aktivität in Salamanca selbst und dem in Aussicht genommenen Hafen Palos, einem Städtchen am Rio Tinto in Andalusien, sehr schnell herausbildeten.
Sofort nach Bekanntwerden von C.s Vorhaben veranstaltete die Kontaktgruppe „Quedamos con el anterior“ unter den Studenten der Universität eine Unterschriftensammlung. Sie erbrachte schon in den ersten drei Tagen vier Unterschriften. Solche Unterschriftensammlungen wurden auch anderorts mit großem Echo durchgeführt. Innerhalb kürzester Zeit kamen 345 Unterschriften von engagierten Bürgern, Bauern und Arbeitern aus dem ganzen Land zusammen, die sich für die Beibehaltung des Bisherigen einsetzten und jede Neuerung, vor allem, wenn sie nicht die Zustimmung der Bevölkerung findet, ablehnten.


In Córdoba, Valencia, Toledo und Saragossa, sowie vielen weiteren Städten und Dörfern, fanden sich Bürgerinitiativen und Aktionsgruppen zusammen, die einen machtvollen Widerstand gegen C. organisierten. Ihnen schlossen sich zahlreiche Interessengemeinschaften an.
Die Liga gegen Rassismus klagte alle europäischen Regierungen der Verletzung der Menschenrechte an. Sie werde, gab sie bekannt, die Freiheitsbewegungen der indigenen westafrikanischen Völker weiterhin unterstützen, um eine Ausweitung des Sklavenhandels auf neue Kontinente zu verhindern.
Der Präsident des spanischen Agricultor-Verbandes, Grande Romero de Mendizábal, warnte vor einer Liberalisierung der Kartoffel-Einfuhren. Sie würden – trotz hoher Abschöpfungsbeträge, die von der Regierung zugesichert seien – die gegenwärtige Agrarmarktordnung empfindlich stören.

Der Naturschutzbeauftragte der Coto Doñana, Pintin Castellanos, erneuerte seine Bedenken im Hinblick auf die Gefahr der Einschleppung des Leptinotarsa decemlineata und verlangte zunächst die Vorlage eines ökologischen Gutachtens.

Der Tierschutzverband für die Costa de la Luz protestierte in einem offenen Brief gegen die Ausrottung ganzer Tierarten, etwa der Bisons. Schützenhilfe erhielt er durch den Zoodirektor von Cádiz, Don Felipe Mungo, der sich gegen die unmenschliche Jagd auf Alligatoren, Jaguare und Pumas, lediglich zur Befriedigung modischer Bedürfnisse einer Wohlstandsgesellschaft, wandte.
Der Verband Kastilischer Madrigalchöre verabschiedete auf seinem 187. Stiftungsfest in Valladolid ein Memorandum, in dem er sich gegen neue Formen der Gesangskunst wie z.B. Spirituals und Gospel-Songs aussprach.


Aufsehen erregte der Vorsitzende der Ärzteschaft Alt- und Neukastiliens, Prof. Dr. José María Bordón. Er erstattete Anzeige gegen Unbekannt wegen Schädigung der Volksgesundheit durch Einfuhr und Gebrauch des Tabaks.
Dagegen wandte sich jedoch der Finanzminister in seiner Budget-Rede vor den Cortes. Professor Bordón betreibe in der Öffentlichkeit eine „Kampagne der Verunsicherung“, da etwa die behauptete Gefahr der Krebsförderung noch gar nicht erwiesen sei. Außerdem vertrügen die Staatsfinanzen keine weiteren Steuereinbußen. Die jüngste Steuerreform habe eine spürbare Entlastung gerade der Schichten mit niedrigem Einkommen bis 1200 Maravedís p.a. gebracht. Eine Deckung der dadurch entstandenen Lücke sei nur durch eine Erhöhung der Steuereinnahmen in anderen Bereichen möglich, was aber Ihre Majestäten ausgeschlossen hätten. Im Übrigen sei der erwartete Ertrag der Tabaksteuer schon für die Haushaltsperioden ab 1493 fest eingeplant.


Als mutige Einzelaktion kann das Verhalten des Ortspfarrers Pablo N. in Puente la Reina gewertet werden. Er machte mit einem Predigtzyklus von sich Reden, in dem er eindringlich darauf hinwies, daß die glaubenseifrig beabsichtigte aber mit unchristlichen Mitteln durchzuführende Konfessionierung der Indios dem Ruf der Kirche in späteren Jahrhunderten schaden werde. Der zuständige Bischof von Pamplona sah in diesen Kanzelreden eine Insubordination, belegte Pfarrer N. mit einem Predigtverbot und versetzte ihn als Hausgeistlichen in ein abgelegenes Pyrenäenkloster. Über den Ausgang der vom Gemeinderat beim Bischof vorgebrachten Eingabe „Wir wollen Padre N. behalten!“ sind keine Dokumente vorhanden. Die bei den lokalen Finanzämtern in der Diözese beobachtete Welle von Kirchenaustritten flachte nach kurzer Zeit wieder ab.


Die „Arbeitsgemeinschaft mündige Bürger“ in Oviedo erarbeitete ein politisches Papier, das in ganz Asturien zirkulierte. Die Entdeckung Cubas, Haitis oder Guatemalas, etc., hieß es darin, ermögliche die Etablierung berüchtigter Diktaturen und Militärjuntas; damit werde einer Unterdrückung der Menschenrechte und Ausbeutung der Völker Vorschub geleistet. Das Recht auf Selbstbestimmung werde dadurch eklatant verletzt. In späteren Versionen des Papiers blieb jedoch Cuba unerwähnt, da man dort den Sturz der Diktatur und die Errichtung einer sozialistisch orientierten Volksherrschaft – und damit Vorbild für alle revolutionären Bewegungen Lateinamerikas – nicht ausschließen wollte.


Im Frühjahr 1489 fanden die verschiedenen Protestaktionen eine gemeinsame Basis. Die Sprecher der aktiven Bürgerinitiativen, Schutz- und Interessengemeinschaften trafen sich in Santiago de Compostela zu einem Erfahrungsaustausch. Dabei sollte eine gemeinsame Linie für das zukünftige Vorgehen erarbeitet werden. Unter dem Motto „Zusammen sind wir stark!“ rief man ein Aktionszentrum „Contra Nuevo Mundo“ ins Leben, das die Aktivitäten aller Gruppen koordinieren sollte. Geplant waren zur Durchsetzung der Ziele u.a. Schwerpunkt-Sitzstreiks an allen Orten, an denen sich die Königin aufhielt. Falls die Kommission zu einem ungünstigen, d.h. für C. favorablen, Ergebnis kommen sollte, wollte man zu einer Besetzung des Universitätsgebäudes und zu einer Protestdemonstration vor der Kathedrale in Salamanca aufrufen. Darüber hinaus dachte man daran, in Madrid ein großes Hearing mit namhaften Wissenschaftlern zu veranstalten. Den Vorsitz wollte der bekannte Schriftsteller und Literaturpreisträger Hernán Zakate y Gonzáles übernehmen.
Die Gründung des Aktionszentrums „Contra Nuevo Mundo“ hatte eine verstärkte Agitation zur Folge. In allen größeren Orten errichtete man auf den Straßen Informationsstände mit Luftballons und kandierten Maronen, um in direkten Diskussionen mit der vorbeiflanierenden Bevölkerung eine breite Bewußtseinsbildung gegen die Entdeckung neuer Seewege und Kontinente zu erreichen.
In Barcelona besetzten mehrere Demonstranten das Rathaus und verteilten Flugblätter. Sie hatten gerade mit der Verlesung Ihres Protestaufrufs vom Balkon aus begonnen, als eine größere Polizeiverstärkung anrückte. Die Polizei machte mehrere Minuten lang von ihren Schlagstöcken Gebrauch, um die Flugblattverteiler zu zerstreuen.
Eine in der Nähe von Cádiz am Strand aufgefundene versiegelte Rumflasche mit einer verschlüsselten Botschaft, die der bekannte Indologe Prof. José Albéniz-Manteca als toltekische Zeichen mit der Bedeutung: „Hände weg von unserem Kontinent!“ entzifferte, erwies sich bald als plumpe Fälschung, die vermutlich von Unternehmerkreisen lanciert worden war, um die machtvolle Bürgerbewegung zu diffamieren, da sie durch die Aktionitis die mutmaßlichen großen Profite gefährdet sahen.


Ungeachtet solcher Hetzkampagnen verstärkten sich die Proteste. An Häuserwänden und Gartenmauern sah man nachts rasch aufgesprühte kämpferische Parolen wie „Nieder mit C!“ oder „Kampf dem neuen Kontinnete!“ oder „España si, Yankee no“, was sehr zur Beschleunigung des Solidarisierungsprozesses in der Bevölkerung beitrug.
Die Widerstandsbewegung in Kastilien und Aragón blieb nicht ohne Wirkung auf Europa; der Funke sprang über. Das Internat. Komitee Europäischer Auswandererverbände (der Aufnahmeantrag des sizilianischen Regionalverbandes bedurfte noch der Abstimmung, er war daher noch nicht stimmberechtigt) sah sich veranlaßt, seine Jahrestagung von Southampton demonstrativ nach Genua zu verlegen. Sein Generalsekretär John D.C. Fleefox machte im Auftrag des amtierenden Präsidenten Aram Armurian wenige Tage vor Beginn der Tagung einen Blitzbesuch am spanischen Königshof, um bei den Katholischen Majestäten gegen die Verunglimpfung der Bestrebungen seiner Organisation formell Einspruch zu erheben.
In einem in Toledo veröffentlichten Interview antwortete C. auf die Frage, ob seine Pläne nicht rein spekulativ seien und wie er, falls sie sich doch bewahrheiten sollten, dem Widerstand der Bevölkerung begegnen wolle, die Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit hätten durchaus die Debatte um seine Ideen transparenter gemacht. Er sei guten Argumenten jederzeit zugänglich. Andererseits halte er an seinen Plänen fest und glaube an die normative Kraft des Faktischen, gerade auch im Hinblick auf Meinung und Verhalten des Volkes. Im Übrigen sei er für pragmatische Lösung anstehender Probleme bekannt, wie das Beispiel mit dem Ei bewiesen habe.

1490 veröffentlicht die königliche Kommission unter Hernando de Talavera ihren Abschlußbericht. Der Antrag des C., in offiziellem Auftrag und auf Staatskosten westwärts zu segeln wird abgelehnt.
Das Aktionszentrum „Contra Nuevo Mundo“ feierte die Entscheidung als Sieg, die Bürgerinitiativen atmeten befreit auf.


C. ist enttäuscht, aber nicht entmutigt. Nachdem seine inzwischen auch durch eigene Reisen nach London und Paris geknüpften Kontakte ohne Ergebnis geblieben waren, zieht er sich ins Kloster La Rábida bei Palos zurück. Aber die Zeit reift für ihn.

1491 hat sich die innenpolitische Lage zu seinen Gunsten gewandelt. Der Kampf gegen die Mauren, die sich als Folge der immer erfolgreicher gewordenen Reconquista von der Iberischen Halbinsel zurückziehen, konzentriert sich auf die letzte Festung in maurischer Hand: Granada. König Ferdinand und Königin Isabella holen alles heraus, um nach langer Belagerung auch dieses Juwel den Gottlosen zu entreißen. Der Sieg ist in greifbare Nähe gerückt.
Im August des gleichen Jahres macht C. einen erneuten Vorstoß, ermuntert von Fray Juan Pérez, dem Vorsteher des Klosters, und Martin Alonso Pinzón, einem Seefahrer aus Palos, der bereit ist, seine Karavelle „Pinta“ in den Dienst des C. zu stellen und mitzufahren. C. begibt sich nach Santa Fé, einer Siedlung, die eigens für die Belagerung Granadas gegenüber der Stadt errichtet worden war, und wo sich die Majestäten aufhalten. Die Königin, in Siegeszuversicht, zeigt sich auch diesmal sehr angetan von den Plänen C.s. Sie gehe davon aus, läßt sie ihn wissen, daß nach dem alsbald erwarteten Fall von Granada der Weg und die Mittel für ihn frei seien. Allerdings würde sich zwischenzeitlich erneut eine Kommission mit den Eingaben befassen, was aber nicht mehr als eine Formsache bedeute.


Der Zusammentritt der zweiten königlichen Kommission blieb jedoch im benachbarten Málaga nicht verborgen. In kurzer Frist erarbeitete eine „Bürgerinitiative zur Sauberhaltung des Atlantiks“ ein Schwarzbuch, das sie in einer großen Aktion der Öffentlichkeit übergab.
Der Bürgerunwille veranlaßte die Regierung zu beschwichtigenden Verlautbarungen. Die Durchquerung des Ozeans mit der nachfolgenden Entdeckung neuer Länder biete die Chance, den Freiheitsspielraum auch des Einzelnen zu erweitern. Darüber hinaus sei im Gefolge des voraussichtlichen See- und Handelsverkehrs die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu erwarten.
In den Cortes erhoben sich Stimmen, die von der Kommission ein „kritisches Herangehen“ an die Vorlage verlangten. Andererseits forderten sie das Königshaus auf, in einer für die Nation so entscheidenden Frage Prioritäten zu setzen; es gehe hier nicht um eine Sachentscheidung, sondern um eine politische Entscheidung.
Empörung löste im ganzen Land die Äußerung des C. aus, Anstrengungen würden Opfer – vielleicht sogar Menschenleben – kosten. C. habe mit diesem Eingeständnis seine faschistoide Gesinnung bewiesen. Der Einsatz von Sträflingen als Besatzung der Expeditionsschiffe, um die Kosten zu senken, widerspreche zudem den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und eines humanen Strafvollzugs.

Am 2. Januar 1492 nehmen König Ferdinand II und Königin Isabella in einem glänzenden Triumphzug, in dessen Gefolge sich auch C. befindet, die Kapitulation Granadas entgegen.
Wenige Tage später fällt eine überraschende Entscheidung; der Antrag des C. wird erneut abgelehnt. Verbittert verläßt er die Stadt, Doch unterwegs wird er bald von einem reitenden Boten der Königin ein- und zurückgeholt. Baron Luis de Santángel, Privatkämmerer Ferdinands, hatte sich der Pläne C.s angenommen und dem Herrscherpaar eindringlich die zu erwartenden Gewinne materieller Art durch Gold und Silber und Vorteile immaterieller Art durch Bekehrung der anzutreffenden Heiden zum christlichen Glauben vor Augen geführt.
C. wird rehabilitiert. Alle seine Forderungen: Edelmann, „Don“, zu werden, das Recht, goldene Sporen zu tragen, zum Großadmiral des Ozeanischen Meeres ernannt und in den entdeckten Gebieten als Vizekönig – erblich – anerkannt zu werden, den 10. Teil der wirtschaftlichen Einnahmen in seinen Gebieten zu erhalten, u.v.a.m., werden in der „Capitulación von Santa Fé“ am 17. April 1492 erfüllt und am 30. desselben Monats verbrieft. Am 12. Mai verläßt C. Granada und begibt sich nach Palos, um die Schiffe für seine Reise auszurüsten. Elf Tage später ruft er alle Behörden und Bürger von Palos in die Iglesia de San Jorge, um die Order des Königs, zwei Karavellen bereitzustellen, zu verlesen – doch nichts geschieht.

Matrosen, Werftarbeiter und Bürger solidarisierten sich in einer breiten Front des Widerstandes. Ziel der Aktionen war es, einen Stop der Schiffsausrüstung zu erreichen, bis C. ein neues überzeugendes Konzept vorgelegt habe. Eine ad hoc-Gruppe gegen Behördenwillkür protestierte gegen „Ämterpatronage und Verfilzung“ im Falle C. Zu Gunsten eines Außenseiters würden alle Bürger zur Kasse gebeten.

Die Hafenbehörden von Palos versahen ihren Dienst nach Vorschrift. Einmal kam es bei den Segelmachern zu einer etwa dreistündigen Arbeitsniederlegung. Der Werftdirektor erklärte jedoch, er betrachte diesen Vorgang als „Willensäußerung ohne Wiederholungscharakter“. Das Verhalten der Beschäftigten sei durch die Unsicherheit über den eigentlichen Zweck der Reise „in gewissem Rahmen verständlich“. Er wolle daher zunächst keine Disziplinarmaßnahmen ergreifen.
Der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats der andalusischen Küstenlotsen kritisierte die Absicht, Berufsfremde für die Navigation in unbekannten Gewässern einzusetzen. Die Berufsgenossenschaft der spanischen Kapitäne erhob schwere Beschuldigungen gegen die Regierung, Es zeuge von nationaler Würdelosigkeit, einem Ausländer eine so bedeutende Aufgabe zu übertragen. Damit werde nicht nur der Ruf der einheimischen Seefahrer geschädigt, sondern auch ihre Existenz gefährdet. Schifffahrtsminister Conte Juan d’Arienzo, wies die Vorwürfe zurück. Die Regierung habe in europäischem Geiste und weltoffen gehandelt. Er kündigte eine Richtlinie an zur Beteiligung der mittleren und kleineren spanischen Seeleute bei staatlichen Seefahrt- und Entdeckungsaufträgen. Außerdem werde ein Sozialfonds für Rückkehrer aus den indischen Gewässern geschaffen. Die Regierung leiste damit einen Beitrag zum sozialen Frieden im Lande.

Trotz des organisierten Widerstandes in der Bevölkerung gelingt es C. in Palos drei Schiffe, die „Santa Maria“, die „Niña“ und die „Pinta“ seeklar zu machen. Am 3. August 1492, eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, läßt er Segel setzen, um unbemerkt das offene Meer zu erreichen.

Bei der Ausfahrt kam es doch noch zu einem Zwischenfall. Eine Armada von Segeljachten und Sportbooten versperrte auf dem Rio Tinto der „Santa Maria“ den Weg. Als ein Polizeiboot eine Jacht abdrängte, kenterte diese fast. Der Besitzer stellte daraufhin Strafantrag wegen Sachbeschädigung und vorsätzlicher Körperverletzung. Der Polizeibootführer wurde vorläufig bis zur Klärung der Umstände vom Dienst suspendiert.

Eine abschließende Wertung, so Prof. Sánchez-Cabrera in seiner Präsentation der bekannt gewordenen Fakten, sei noch nicht möglich. Die Historiker aus aller Welt seien aufgefordert, die Fülle des Materials zu sichten und eine „Revision des Geschichtsbildes“ einzuleiten. Die italienische (!) Regierung ( sie erhoffte sich aus dem Fund eine zweifelsfreie Klärung, daß C. definitiv und seit Generationen Genueser gewesen ist) habe bereits einen Antrag bei der UNESCO vorgelegt, um finanzielle Mittel für die Förderung verschiedener Forschungsprojekte zu erhalten.
Offen sei vor allem, weshalb die Initiativen gegen C., die trotz unterschiedlicher gesellschafts-, wirtschafts- und parteipolitischer Positionen nach positiven Ansätzen eine geschlossene Aktionsfront getragen hätten, letztlich nicht erfolgreich gewesen sind.

Am 12. Oktober 1492 entdeckt C. neues Land – nicht sein Ziel, aber Amerika, immerhin.

Allerdings, auch ein Erfolg, die Fahrten des C. zu verhindern, wäre vordergründig gewesen. Amerika ist – wir wissen es inzwischen – sowieso schon entdeckt worden. (G/se XI/72)

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